Zwischenmenschlich

Vieles von dem, was unser Leben wertvoll macht, findet zwischen Menschen — also zwischenmenschlich statt. 

Wer mich aus dem beruflichen Umfeld kennt, hat zwar hoffentlich gemerkt, dass Menschen mir wichtig sind. Trotzdem mag dieses Thema auf diesem Blog den einen oder anderen überraschen. Ja, tatsächlich ist mein Fokus normalerweise auf Business-Strategie, Marketing und Vertrieb. Keine Sorge, ich werde nicht zum Hippie! Ich denke aber, es ist mal an der Zeit, dass ich auch hier etwas mehr mein Herz teile. 

(Kleine) zwischenmenschlich wertvolle Momente

Heute Morgen — auf dem Weg ins Büro — bin ich einer ehemaligen Mitarbeiterin begegnet. Wir konnten uns von Herzen einen schönen Tag wünschen. Wer schon Kündigungen ausgesprochen hat, der weiß, dass das nicht selbstverständlich ist. Deshalb schätze ich diesen Moment als äußerst wertvoll. 

In der kleinen Straße zu unserem Parkplatz parken oft Kleintransporter mit osteuropäischem Kennzeichen. Die Fahrer verbringen hier ihre Nacht und machen sich morgens auf den Weg zum nahegelegenen Zoll und die Schweiz. Heute unterbrach ich einen dieser Fahrer bei seiner Morgentoilette. Er musste die offene Beifahrertür etwas zuziehen, damit ich vorbeifahren konnte. Ein kleines gegenseitiges Lächeln machte auch diesen Moment wertvoll. 

Als ich dann die Bürotür aufschloss, kam die Büronachbarin auch gerade in den Flur. Wir wechselten ein paar Worte über die Türkeile, die ich besorgt hatte. Gibt es ein nebensächlicheres Thema? Auch das war eine positive Begegnung. 

Diese Momente waren kurz und erscheinen irgendwie klein. Tatsächlich machen sie aber das Leben reicher. Sind sie vielleicht größer und wertvoller als uns bewusst ist?

Zwischenmenschlich vs. Distancing

Im Zusammenhang mit der Corona Pandemie wurden zwischenmenschliche Begegnungen angeblich grundsätzlich zu etwas Gefährlichem. Der Begriff „Social Distancing“ ist überall gegenwärtig. Das ärgert mich aus zwei Gründen:

1. Mich ärgert der Begriff „Social Distancing“, weil er falsch ist. 

Niemand hat etwas davon, wenn wir sozial auf Distanz gehen. Ganz im Gegenteil — in dieser schwierigen Zeit sollten wir uns sozial näherkommen. 

Es ist eine gewisse Art von physischer Nähe, die zur Gefahr werden kann. Genau genommen sollten wir uns nicht zu lange in unmittelbarer Nähe von anderen Menschen in geschlossenen Räumen aufhalten. 

Wenn also Distancing gefordert ist, dann doch bitte „physical Distancing“

2. Mich ärgert der Begriff „Social Distancing“, weil er unmenschlich ist. 

Wir Menschen sind auf Beziehung hin geschaffen. Deshalb sind wir in unserer Essenz auf soziale Nähe angewiesen. Meine Güte — wir machen uns kaputt, wenn „Social Distancing“ zur Norm wird. 

In den letzten Monaten habe ich mit mehr Menschen gesprochen, die unter einer Form von Depression leiden als in den 5 Jahren davor. Können wir bitte mal die Augen für die Wirklichkeit öffnen?

Zwischenmenschlich herausgefordert

Zwischenmenschliche Momente bekommen wir irgendwie immer geschenkt. Wir können sie uns nicht verdienen. Gleichzeitig müssen Geschenke auch angenommen werden, sonst funktionieren sie nicht. 

Fällt es dir leicht, Geschenke anzunehmen?

Aus meiner Kindheit kenne ich diese Spielchen der Erwachsenen: „Nein, das wäre doch nicht nötig gewesen!“, „das kann ich nicht annehmen!“, …

Ich habe das nie verstanden, bis ich irgendwann erleben musste, wie Geschenke als Druckmittel für zukünftige Gefälligkeiten missbraucht wurden. 

Geschenke funktionieren nur, wenn sie wirklich geschenkt sind und wenn sie gerne angenommen werden. Mit zwischenmenschlichen Begegnungen ist es genauso. Ich denke, wir würden alle davon profitieren, wenn wir die Herausforderung annehmen würden, möglichst viele zwischenmenschliche Begegnungen nutzen würden, um andere zu beschenken und uns beschenken zu lassen. 

Es bräuchte dafür nur …

… ein Lächeln, 

… ein Winken, 

… ein freundliches Wort. 

Machst du mit?