Wann sind wir erfolgreich?

„Sind Sie erfolgreich?“ fragte der Vortragsredner bei einer Abendveranstaltung.

Man konnte körperlich spüren, wie sich Unsicherheit im Raum breit machte.

Wahrscheinlich haben sich in den Köpfen der anderen Zuhörer ähnliche Fragen überschlagen wie in meinem:

  • Woran mache ich Erfolg fest?
  • Ich bin ja noch nicht da, wo ich gerne hin möchte. Bin ich trotzdem erfolgreich?
  • Wie erfolgreich bin ich im Vergleich zu anderen?
  • In welchen Lebensbereichen bin ich erfolgreich?
  • Was muss noch passieren, dass ich auf diese Frage hin fröhlich die Hand heben kann?
  • Wer ist überhaupt erfolgreich?

Selbst die erfolgreichsten Menschen fallen oft in ein Loch, wenn sie ihre Ziele (z.B. einen sportlichen Erfolg) erreichen. Hatten sie vielleicht eine falsche Vorstellung von Erfolg? … die vielen Stunden, der viele Schweiß, die zahlreichen Entbehrungen – alles um irgendwann auf einem Treppchen zu stehen und anschließend in Depressionen zu verfallen?

Laut Duden ist Erfolg ein „positives Ergebnis einer Bemühung“ oder das „Eintreten einer beabsichtigten, erstrebten Wirkung“. In Wikipedia heißt es, dass Erfolg „das Erreichen selbst gesetzter Ziele“ bezeichnet. Ich denke, dass alle diese Definitionen einen Teil der Wahrheit beschreiben. So richtig beantworten sie meine Frage nach der Bedeutung von Erfolg trotzdem nicht. Wir könnten uns zum Thema Erfolg durch 83.600.000 Google-Treffer klicken oder bei Amazon 29.333 Bücher über Erfolg bestellen. Vielleicht wüssten wir dann mehr – das würde allerdings so lange dauern, dass wir keine Zeit mehr für die Umsetzung des Erkannten hätten.

Beate Westphal und ihr Team von der Aprilstiftung in Berlin eröffnet uns einen anderen, sehr sympathischen Zugang zu diesem komplexen Thema. Beate erzählte mir mit leuchtenden Augen von ihrer Idee, die sie inzwischen in die Tat umgesetzt hat: „Wir sammeln Erfolgsgeschichten und helfen den Menschen dabei, Worte für ihre eigenen Erfolgsgeschichten zu erzählen!“. Die Geschichten anderer hören, die eigene Geschichte verstehen und mit dieser Geschichte wiederum andere ermutigen – vielleicht ist das die angemessenste Art zu lernen, was Erfolg wirklich ist.

Jedes Jahr werden auf dem Blog der Aprilstiftung 30 Erfolgsgeschichten veröffentlicht. Ich habe ein wenig gestöbert:

Für Gregor bedeutet Erfolg, dass er seinen Kunden mit Keksen und Pralinen Wertschätzung auszudrücken darf. Für Mila war es ein Erfolgserlebnis, dass sie es geschafft hat, sich das Geld für ein Fahrrad zusammenzusparen. Die persönliche Veränderung von Marcel zeigt eine eindrückliche Reise zu einem neuen, menschlicheren Erfolgsverständnis. Ein großer Erfolg war für ihn, seinen Selbsthass zu überwinden und dadurch auch einen neuen Blick für seine Mitmenschen zu bekommen. Anna erlebt den Rollentausch mit ihrem Mann, die Entwicklung eines eigenen Produkts und die Selbstbestimmtheit als Unternehmerin als Erfolgsgeschichte. Uli und Beate waren erfolgreich damit, in Bildung zu investieren.

Auf blog.aprilstiftung.de können Sie viele weitere persönliche, unternehmerische und gesellschaftliche Erfolgsgeschichten kennenlernen. Vielleicht lesen wir dort irgendwann ja auch Ihre Geschichte. Ich bin gespannt.

Ein Filter und drei Tipps für Menschen, die etwas zu sagen haben.

Ich sitze morgens hier im Restaurant. Um mich herum füllen sich so langsam die Tische. Sehr unterschiedliche Menschen nehmen Platz: Zwei Mütter mit ihren Kindern am einen Tisch, drei Frauen am nächsten Tisch und eine größere Gruppe direkt neben mir. Es gibt nur wenige, die (so wie ich) alleine sitzen. So unterschiedlich die ganzen Leute wirken – sie sind alle (außer den Einzelsitzern) am Reden. Da ist sie plötzlich – die Frage, die mir den Impuls für das heutige Thema lieferte: Haben die alle etwas zu sagen?

Wer hat etwas zu sagen?

Können wir schon aus der Fähigkeit zu Reden darauf schließen, dass der Redende etwas zu sagen hat? Besonders wenn jemand unterhaltsam kommunizieren kann, hören wir stundenlang zu. Wir lachen über seine Scherze und zeigen uns beeindruckt, wenn er eine neue Erkenntnis vermittelt.

Bedeuten Humor und Wissen wirklich, dass jemand etwas zu sagen hat?

Die folgenden drei Situationen zeigen, dass die Sache nicht so einfach ist:

Situation 1:

In einer Sitzung waren wir wieder mal wild am Diskutieren. Die Dominanteren unter uns brachten lautstark ihre Meinung vor. Ich zeichnete etwas an die Flipchart. Es wurde gedroht und argumentiert. Plötzlich sagte einer, der bis zu diesem Zeitpunkt nur zugehört hatte, einen Satz, der alle zum Verstummen brachte. Jeder und jede im Raum erkannte: dieser junge Mann hat zwar bisher nicht geredet, aber er hat wirklich etwas zu sagen.

Situation 2:

Ihr Vortrag war rhetorisch nicht besonders ausgefeilt. Am Anfang war sie sichtlich nervös und ihre Körpersprache signalisierte, dass die Bühne nicht ihr Lieblingsort war. Nach einigen Minuten fand sie jedoch ihren Rhythmus. Das Zuhören wurde etwas leichter. Als sie zu ihrem ersten inhaltlichen Meilenstein kam, realisierte ich, dass ihre Worte eine Autorität hatten, wie ich es länger nicht erlebt hatte. Es war nicht das Thema an sich, das mich berührte, die Rhetorik war es sicher auch nicht – diese Frau sprach über Menschen, denen sie uneigennützig jede Woche mehrere Stunden diente. Weil sie diese Menschen liebt, hat sie wirklich etwas zu sagen.

Situation 3:

Wir merkten kaum, wie die Zeit verflog. Der Geräuschpegel im überfüllten Seminarraum wurde durch Zwischenapplaus immer wieder angehoben. Die Bilder der PowerPoint-Präsentation waren ansprechend. Die Inhalte waren gut und richtig. Als der Veranstalter sich zum Schluss bei der Referentin für den furiosen Vortrag bedankte, war mein spontaner Gedanke jedoch: Gut, dass ich jetzt nicht in seiner Rolle bin, denn diese lobenden Worte würden mir im Hals stecken bleiben. Irgendwie hatte sie nicht wirklich etwas zu sagen.

 

Wozu haben Sie etwas zu sagen?

Sie kennen bestimmt diese Interviews im Radio oder im TV, in denen prominente Persönlichkeiten (Sportler, Schauspieler, Politiker, usw.) zu Themen interviewt werden, von denen sie eigentlich gar nicht viel verstehen. Eine ganze Industrie lebt von der Vermarktung von Stars und Sternchen und diese Industrie möchte etwas zu schreiben haben. Ich finde das irgendwie entwürdigend. Niemand sollte sich dafür missbrauchen lassen. Auch wenn Sie und ich keine Berühmtheiten sind, werden andere Menschen immer wieder versuchen, uns in solche (sinnlosen) Diskussionen hineinzuziehen.

Für mich selbst bedeutet das, dass ich mir gut überlege, zu welchen Themen ich wirklich etwas zu sagen habe, und mich konsequent (zumindest in den Medien) auf diese Themen begrenze. Das erspart der Menschheit nicht nur unqualifiziertes Blabla – es hat auch für mich persönlich zwei bedeutende Vorteile:

  1. Meine Wahrnehmung ist auf diese Themen fokussiert. Ich lerne in diesen Bereichen gezielt dazu, weil ich dort wirklich Ahnung haben möchte.
  2. Es wird einfach, Anfragen zu beantworten. Wo ich früher manchmal tagelang nachgedacht habe, ob ich etwas tun soll oder nicht, kann ich heute in wenigen Minuten antworten.

Folgende Fragen können beim Filtern der Themen helfen, zu denen wir etwas sagen:

  1. Verfüge ich über das nötige Wissen?
  2. Habe ich persönliche Erfahrungen?
  3. Fehlt der Punkt, den ich beizutragen habe, noch in der Diskussion?
  4. Nützt es jemandem, wenn ich den Mund aufmache?
  5. Verstehe ich die Menschen, zu denen ich spreche? (Wenn ich jemanden nicht verstehe, wird er mich sehr wahrscheinlich auch nicht verstehen!)

Stephen Dennings Tipps, damit wir hören, was Sie zu sagen haben.

In seinem Buch The Secret Language of Leadership schlägt Stephen Dennings das folgende Kommunikationsmuster vor. Er begründet ausführlich, dass nicht nur die einzelnen Punkte sondern auch deren Reihenfolge große Bedeutung für wirkungsvolle Kommunikation haben. Ich habe einige zentrale Punkte für Sie zusammengestellt und in eigene Worte gefasst:

 

  1. Tipp: Machen Sie uns klar, warum wir Ihnen zuhören sollen.

Wir werden täglich mit so vielen Informationen bombardiert. Erwarten Sie nicht, dass wir auf Ihre Botschaft warten. Wenn Sie wirklich was zu sagen haben, dann machen Sie sich bitte die Mühe, sich zu überlegen, wie Sie unsere Aufmerksamkeit bekommen.

  • Überraschen Sie uns auf kreative Art.
  • Berühren Sie unsere Emotionen.
  • Machen Sie uns klar, dass Sie eine persönliche Nachricht für uns haben.
  • Zeigen Sie uns die Relevanz Ihres Beitrags.
  • Und tun Sie all das im richtigen Verhältnis zur Bedeutung Ihrer eigentlichen Botschaft. (Wenn Sie täglich den Feueralarm drücken, wird am dritten Tag niemand mehr den Kopf aus dem Büro strecken.)

 

  1. Tipp: Sagen Sie uns, was es bewirkt, wenn wir tun, was Sie vorschlagen.

Wie verbessert Ihr Angebot, Ihre Information oder Ihr Lösungsansatz unser Leben? Je klarer Sie uns zeigen, was sich verändert oder verbessert, desto eher lassen wir uns auf Ihre Botschaft ein.

  • Ist Ihre Idee an sich wertvoll? (Auch im Geschäftsleben ist Profit oft nicht motivierend genug!)
  • Prägt sich Ihr Lösungsansatz ins Gedächtnis der Zuhörer ein?
  • Können Ihre Zuhörer sich mit Ihrer Idee identifizieren?
  • Welchen Beitrag können Ihre Zuhörer leisten?
  • Hat Ihre Idee positive Auswirkungen für die Menschen, mit denen Sie kommunizieren?

 

  1. Tipp: Begründen Sie Ihre Argumente.

Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für Zahlen, Daten und Fakten.

  • Worauf begründen Sie alles, was Sie bisher gesagt haben?
  • Welche Untersuchungen haben Sie angestellt, um zu Ihrer Meinung zu kommen?
  • Welche Berechnungen haben Sie angestellt?
  • Wo hat das, was Sie vorschlagen, bereits funktioniert?

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Begegnung mit einem inspirierenden Menschen.

Wir lernten uns am Bühnenrand kennen. Ich hatte gerade meinen Vortrag gehalten und Andreas bereitete sich darauf vor, auf die Bühne zu gehen und die Zuhörer mit seiner Geschichte zu inspirieren. Wir hatten sofort eine gute Verbindung – wie das mit manchen Menschen eben so ist. Obwohl wir uns nicht kannten, begannen wir schnell über Dinge zu sprechen, die uns persönlich bewegten.


 

„ Wenn ich Junkie das schaffe, dann könnt ihr das schon zweimal.“

Mit diesem Satz hatte Andreas gleich die volle Aufmerksamkeit des Publikums. Wie bitte? Dieser vor Kraft strotzende Mann, der vermutlich 99% seiner Altersgenossen sportlich locker in die Hosentasche steckt – ein Junkie?

Die Geschichte von Andreas Niedrig handelt von den Sehnsüchten und Kämpfen eines jungen Menschen, der seinen Platz in dieser Welt sucht; vom unachtsamem Verhalten erwachsener Bezugspersonen, eigenen unweisen Entscheidungen und der vermeintlichen Geborgenheit in einer Gruppe Gleichgesinnter verbunden mit immer härten Drogen. Suchtmittel werden in seinem Leben zu einer Kraft, die ihm anfänglich Halt geben und schon bald schrittweise sein Leben zerstören.

Wer Andreas zuhört oder seine Biographie „Vom Junkie zum Ironman“ liest, wird Zeuge davon, wie mit seiner Frau Sabine und seiner Tochter Jana eine andere Kraft in sein Leben kommt: Liebe. Die Chance, Liebe zu geben und Liebe zu empfangen, rettet ihm das Leben.

Gleichzeitig erfährt man, wie lange es Andreas nicht gelingt, aus seinem Teufelskreis auszusteigen. Es fällt schwer, sich vorzustellen, welche Tiefpunkte ein Mensch erreichen kann — und dass selbst dann die Talfahrt nicht zu Ende ist. Seine Frau reicht die Scheidung ein, die Drogenbeschaffung wird zunehmend schwieriger und krimineller (falls man das Wort kriminell überhaupt steigern kann). Erst als er wirklich ganz unten ist, kommt die Wende.

Im zweiten Teil seine Biographie berichtet Andreas Niedrig, wie er die Beziehung zu seiner Frau und seiner Tochter wiederfindet, ins Berufsleben zurückkehrt und seine Leidenschaft für Triathlon entdeckt. Innerhalb weniger Jahre steigt er als Triathlet in die Weltspitze auf.

Mit Blick auf seine Erfahrungen schreibt er: „Vielleicht bin ich heute gesünder an Herz und Seele und kräftiger in meiner körperlichen Leistungsfähigkeit, als ich es ohne diese Erfahrungen jemals geworden wäre.“

Andreas Niedrig meisterte nicht nur seinen eigenen Neuanfang. Indem er seine Geschichte bei Veranstaltungen und in Schulklassen erzählt, sensibilisiert er seine Zuhörer für die eigenen Gefahren und gleichzeitig für ihr eigenes Potenzial. Und manch einer, der den Worten von Andreas aufmerksam folgt, beginnt anschließend selbst wieder Sport zu machen.


 

Ähnliche Geschichten kannte ich ja bereits aus Filmen. Einen vor Leben übersprudelnden Menschen direkt zu erleben, der leidenschaftlich etwas von diesem Leben weitergibt, das er nach eigener Aussage „zurückgeschenkt“ bekommen hat, war für mich eine besondere Erfahrung.

Nach der gemeinsamem Vortragsveranstaltung tauschten wir noch kurz unsere Kontakte aus, dann ging jeder wieder seines Weges. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass sich unsere Wege wieder kreuzen werden …

Andreas Geschichte hinterlässt bei mir zweierlei: die Frage, welche Veränderung ich selbst angehen will. Und gleichzeitig  Mut, meine Herausforderungen zu meistern.

Die Geschichte, die wir uns selbst erzählen.

Irgendwann in unserem Leben haben wir eine Geschichte über unser eigenes Leben angenommen. Auf Grundlage unserer Umstände und Prägungen oder weil jemand anderes uns diese Geschichte erzählt hat, lernten wir diese Geschichte kennen. Wir fingen an, uns mit ihr zu beschäftigen, sie zur eigenen Geschichte zu machen und sie uns selbst zu erzählen.

Seither beurteilen wir alles, was wir erleben, was sich uns an Möglichkeiten und Herausforderungen bietet, innerhalb dieser Geschichte.

Alles muss in diese Geschichte passen.

Das gibt Orientierung.

Das kann aber auch ganz schön einengen.

 

Ich habe viele Jahre in der Geschichte eines kleinen Jungen vom Dorf gelebt.

Damit war beispielsweise der berufliche Radius auf wenige Kilometer beschränkt und damit auch die Anzahl der möglichen Ausbildungsberufe – ein Studium gehörte schon gar nicht in den Horizont des Realistischen. Es gab Dinge, die mich beschäftigten und die ich anpackte (Handlungsorientierung ist die positive Seite eines eng gesteckten Raumes und der damit geringeren Komplexität!). Es gab gleichzeitig viele Dinge, die mir zu weit weg erschienen, als dass ich (der kleine Junge vom Land) etwas tun könnte. Das war auch dann noch der Fall, als der kleine Junge groß geworden war und in einer globalisierten Welt mit Internet und Flugzeugen lebte.

In meiner Geschichte waren globale Themen genauso wenig vorgesehen wie Unternehmertum und manche spirituellen Fragen.

 

In welcher Geschichte leben Sie?
Was wäre, wenn es noch eine andere, inspirierendere Geschichte für Ihr Leben gäbe?

 

Die Geschichte, die wir uns selbst erzählen, hat so viel Macht über uns, dass wir uns diese Geschichte gut überlegen sollten. [Tweet „Erzählen Sie sich eine gute Geschichte.“]